Hold my Pepsi!

2. September 2015

Ich bin so aufgeregt. Nüchtern betrachtet fahre ich nur zu meiner Schwester. Aber die letzten Tage wurde es immer schlimmer. Wieder und wieder zu erzählen: „Ja, ich reise wirklich alleine!“ und zu hören: „Du liebe Zeit!“ hat vielleicht doch Spuren hinterlassen. Aber da ist auch eine riesige Vorfreude. Ein bisschen wie Geburtstag und Weihnachten an einem Tag. Unterm Strich ist die Neugierde immer noch größer als die Aufregung oder Angst. Das sind gute Voraussetzungen, finde ich.

Heute Vormittag hieß es packen und Kinderspass. Ein Durcheinander in meinem Rucksack. Und er ist zu klein. Also nochmal aussortieren. Bestimmt gibt es unterwegs Geschäfte.

Am Ende ist alles verstaut. Mein ganzes Leben eingetütet. Und was ich wirklich für dieses eine Jahr brauche passt in einen 60+10 Liter Rucksack. Obwohl der jetzt doch 16 kg hat fühlt sich dieser Minimalismus erleichternd an. Auf einmal ist es halb 12. Zeit für die ersten Abschiede. Ich nehme mit:

„…und wie es ist, so ist es gut…!“

Es ist sogar ziemlich gut. Das Leben könnte gerade so viel schlechter sein.

Am Flughafen geht alles ziemlich schnell. Das Abschiedskomitee öffnet Sekt. Letzte Umarmungen. Und Tränen. Meine Güte, ich kann gar nicht aufhören… Irgendwann später sitze ich verheult und beschwipst am Gate. Durchatmen. Alles noch total unrealistisch. Keine Wohnung, kein Auto, kein Job. Ich besitze keinen einzigen Schlüssel mehr!!! Acht Monate Vorbereitung, Planung, Organisation finden ein Ende. Ab heute bin ich live dabei.

Die Zeit bis zum Boarding schleicht. Nichts tut sich. Eigentlich boarden wir seit einer halben Stunde. Ich gehe nochmal rauchen und Zeitungen kaufen. Auf dem Rückweg ein Blick auf die Anzeige am Gate. Ein Flug von Qatar Airways?! Ich muss da wohl nachfragen. Der freundliche Herr vom Bodenpersonal erklärt, heute wurden die Gates getauscht. Wieso? Und wo ist meins jetzt? Am anderen Ende vom Terminal! Ich sprinte los. Abflug ist in 20 Minuten. Wenn ich schon den ersten Flug verpasse wäre das bestimmt DER Lacher! Das Bodenpersonal am aktuellen Gate ist tiefenentspannt. Es lebe das Zeitmanagement von Egypt Air!!! Ich setze mich und muss lachen. Das fängt ja gut an. Der Rest ist erstmal Routine.

Allerdings…macht der verpätete Abflug in Frankfurt meinem Anschluss in Kairo nach Sharm el-Sheikh einen Strich durch die Rechnung. Leider verrechne ich mich wegen der fehlenden Zeitverschiebung (Ägypten hat die Sommerzeit abgeschafft). Also hektisch, optimistisch, schnell noch ein Visa bei der Bank gekauft. Die arabische Gemütlichkeit macht mich gerade wahnsinnig. Ich bin hibbelig-trippelig beim Sicherheitscheck. Die Security lacht. Ich sprinte los. Warum ist es immer das andere Ende vom Flughafen??? Und dann stehe ich am leeren Gate! Das ist ein Scherz. Kein Scherz. Und als ich sortiert nachrechne verstehe ich, dass ich meinen Anschlussflug überhaupt nicht mehr erreichen konnte. 5 Minuten nach meiner Landung war der nämlich schon in der Luft. Mit Julia wollte ich mich eigentlich im Flieger treffen. Sie ist jetzt schon mal ohne mich losgeflogen, wie ich meinen Whatsapps entnehme, und wartet in Sharm el-Sheik.

Der Flughafen in Kairo um diese Zeit ist nicht unbedingt belebt. Es wird also schwierig überhaupt jemanden zu finden, geschweige denn jemanden, der sich auch noch zuständig fühlt. Aber es klappt. Einer der wenigen charmanten Ägypter vom Check-in spricht sogar Deutsch. Ich werde für den nächsten Flug gebucht und gut.

Und ich brauch erstmal was zu trinken. Ägypten scheint nicht die Zielgruppe von Coca Cola zu sein. Hier trinkt man Pepsi. Ich schaue lachend ins Kühlregal und denke: „Hold my Pepsi!“. Ja, ich mach das schon.
Beim Boarding werde ich mit Namen begrüßt. Julia hat das Bodenpersonal gebrieft. Ach Kleines, Du bist Zucker!

Einen Flug und eine wilde Minibusfahrt durch die Nacht mit oberkorrekten Sicherheitschecks- wir sind jetzt auf der Sinaihalbinsel und das merkt man vor allem an der noch größeren Militärpräsenz- fallen wir um halb zwei ins Bett.

Tagesbilanz Tag 1: 50% der Flüge verpasst, Sportprogramm für heute in Form von zwei Sprints erledigt, aber doch noch angekommen.

Läuft wie verrückt, würd ich sagen.

Ein Gedanke zu “Hold my Pepsi!

  1. Der Start war ja Weltklasse!
    Und uns fällt so einiges ein: Irgendwas ist immer oder Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Aber irgenwie geht es auch immer.
    Wenn Du zurück bist, solltest Du ein Buch schreiben.

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