16. September 2015
Geschafft. Keine einzige Mücke hat es zu uns unters Netz geschafft. Die Crew ist schon fleißig, denn wir legen um halb 8 ab. Frühstück gibt es an Bord, aber da es vorwiegend kontinental ist, kann es nicht mit den restlichen Mahlzeiten mithalten. Nochmal die Aussicht geniessen und wach werden für den Tag. Um 9 Uhr legen wir an und lassen uns zum Busbahnhof fahren. Wir wollen weiter nach Cochin.
Wegen bewährter Nutzbarkeit nehmen wir wieder den Localbus. Und stellen uns auf eine verdöste Fahrt ein. Nach vielleicht halber Strecke, bleiben wir mitten an einer Kreuzung stehen. Nichts geht mehr, alle aussteigen. Spricht irgendwer englisch? Also wirklich? Und kann erklären, was los ist? Der Fahrkartenverkäufer, der in jedem Bus mitfährt, erklärt, wir haben eine Panne und warten jetzt auf den nächsten Bus. Wann auch immer der kommen mag. Es fängt prompt an zu regnen. Oh Mann, heute will es Indien aber wissen. Allerdings kommt nach erstaunlich kurzer Wartezeit von höchstens 20 Minuten tatsächlich der nächste Bus und wir erreichen Cochin nur leicht verspätet ohne weitere Zwischenfälle. Am Busbahnhof organisieren wir eine prepaid Rikscha. Heißt, es wird am Schalter vor Ort bezahlt und gibt keinen Diskussionsbedarf mit dem Fahrer.
Unser Hotel liegt in Ernakulum, Cochin eine kurze Fährfahrt entfernt. Das ist der hübschere Teil der Stadt. Allerdings ist die Anbindung zum Flughafen morgens um 6 Uhr per Fähre nicht vorhanden, weshalb wir Ernakulum bevorzugt haben. Was uns vorher nicht klar war ist, dass es auch eine Strassenverbindung gibt. Länger und umständlicher zwar, aber sie ist da.
Von außen, scheint das Hotel ganz nett. Irgendwas mit SPA im Namen. Das könnten wir gut gebrauchen. Innen ist uns allerdings nicht mehr klar, welche Lobby sie für das Internetportal fotografiert haben. Das ist nicht mehr gefotoshopt, das ist ein anderes Hotel. Hinter der Empfangstheke blättert der Putz von der Wand. Der Rest geht eigentlich. Nicht, dass ich jetzt hier unbedingt das SPA benutzen will, aber zum Übernachten ist es ok. Wir hinterlegen Kaution- mal was ganz Neues- und beziehen unser Zimmer. Ja…geht so… Komisches Raumspray haben die hier. Ich bekomm Kopfweh. Wir lüften mal. Kann ja nicht schaden. Nachdem wir beide das Bad benutzt haben und feststellen, dass auch in unserem Zimmer partiell der Putz runter kommt (Wasserschaden?) und sich auch mit viel Anstrengung kein Behagen einstellt, wägen wir ab und entscheiden, dass wir nicht 4 Nächte hier bleiben. Es ist früh am Tag und wir zu zweit, da findet sich was. Das müssen wir jetzt nur noch dem Empfangspersonal klar machen. Diesmal darf ich diskutieren. Wobei diskutieren eigentlich zu viel gesagt ist. Ehrlicherweise quasseln ich den Kollegen in Grund und Boden. Wir hätten reserviert und sie könnten uns ein anderes Zimmer geben. Aber Geld zurück geht nicht. Ich bin stinkig. Das was wir laut Internet reserviert haben hat nichts mit unserem Zimmer in der Realität zu tun. Irgendwann bekommt er es mit der Angst und ruft seinen Chef an. Kein Problem, sagt der, wir bekommen unser Geld zurück. Geht doch… Wenn wir jetzt bitte noch Ihr Internet benutzen dürften, um ein anderes Hotel zu suchen? Auch das macht er möglich. Ist sicher froh, wenn wir wieder weg sind. Wir googlen, fassen zwei in die engere Wahl und ab gehts.
Die Fähre legt genau gegenüber ab und glücklicherweise hat die nächste noch zwei Tickets übrig. Wir umringt von Indern. Wo sind die ganzen Außerindischentouristen?! Ein junger Inder erklärt uns, wann wir aussteigen müssen. Die Fähre legt an unterschiedlichen Stellen an und wir sehen anscheinend ziemlich hilfsbedürftig aus. Eine Rikscha fährt uns zur ersten Adresse. Wir erklären, heute nur für zwei und ab morgen für drei. Sie haben noch ein letztes Zimmer frei. Perfekt. Und ein schönes ist es auch noch. Einfach und ausser vier Betten nichts drin, aber sauber, direkt neben der Dachterrasse und kostet pro Person und Nacht 6 (!!!) Euro. Wir haben es also doch noch drauf. Auch das hier ist wieder ein Homestay und die Besitzer sowas von süss. Ein Ehepaar mit drei Söhnen. Sehr besorgt um uns und darauf bedacht zu helfen. Es gibt sofort eine kleine Einweisung, Restaurantempfehlungen und Tips rund um die Örtlichkeit. Jaha, so kann Unterkunft auch sein.
Wir gehen es für den Rest vom Tag langsam an. Duschen, Dachterrasse und Internet geniessen, einen Fahrer organisieren, der Marc am Flughafen abholt, ihm alles per WhatsApp erklären und hoffen, dass er nochmal sein Handy anmacht und Empfang hat, Massage für morgen buchen und Essen gehen. Wir testen eine der Empfehlungen. Es gibt wahnsinnig leckeren Fisch. Und auf den Weg noch den Ratschlag, dass zwei Mädels allein nicht nach 22 Uhr auf der Strasse sein sollten. Das wäre gefährlich. Wir versprechen uns bei der Rückkehr kurz zu melden, damit uns keiner vermisst.
Vor dem Einschlafen wirft Julia ein, dass ein paar Tage mehr Schwesternurlaub, wenn auch unfreiwillig, gar nicht so schlecht waren. Danke, gleichfalls. Wir haben inzwischen Pläne für unzählige Fortsetzungen.
17. September 2015
Es klopft! Marc ist endlich da! Großes Hallo und ein schönes Wiedersehen. Er ist sehr früh gelandet, so gegen 5 Uhr, der Fahrer hat ihn aufgegabelt und jetzt ist er wieder da. Als hätten wir ihn nie zurück lassen müssen. Es wurde auch Zeit. Hase, was machst Du nur für Sachen mit uns?!
Nach einer Anreisetortur mit reichlich Aufenthalt ist Marc heut Bestimmer. Aber so richtig will er gar nicht. Eigentlich nur duschen, frühstücken und dann endlich Indien. Schlafen können wir später. Gute Einstellung.
Cochin ist ein süsses verschlafenes Fischerstädtchen. Kleine Strassen, viele kleine Läden, mit ALLEM. Reizüberflutung. Alles ist voller bunter Plakate mit Werbung. Wir wollen uns die Synagoge anschauen. Es leben noch ca. 20 Juden in Cochin. Tendenz fallend. Und Julia, die alte Judaistikstudentin, findet in jedem, aber auch wirklich jedem Ort die noch so kleinste Synagoge. Und diese ist klein und niedlich mit vielen verschiedenen Leuchtern und buntem Glas. Ein ruhiger Ort zum verschnaufen. Ja, wir sind trotzdem in Indien. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben und werd mal kurz sentimental.
Wir lassen uns weiter durch die Gassen und Geschäfte treiben und die Stadt auf uns wirken. Und wenn wir schon mal hier sind, können wir auch gleich noch bei der Telefongesellschaft reinschauen, vielleicht können die uns mit der Simkarte helfen. Also quer durchgefragt und bei wirklich jeder Antwort ist es am Ende der Strasse und dann wahlweise rechts oder links…verrücktes Indien. Trotzdem finden wir es und die leicht unfreundlichen Mitarbeiter erläutern uns, dass wir heute leider keine Telefonkarte bekommen. Wir sind schließlich keine Inder. So! Zurück im Hotel relativiert unser Homestayvater das ganze: wir können keinen Vertrag abschließen. Aber eine Prepaidkarte kaufen geht schon. Einfach Pass- und Visakopie, Passfoto und indische Adresse angeben und gut. Wir probieren das später Mal. Jetzt gehen wir erstmal zur Massage.
Auf dem Weg dahin, holen Julia und Marc das erste Mal Geld. Also sie versuchen es. Just in dem Moment in dem der Automat anfängt zu zählen- Stromausfall. Der Wartungsmitarbeiter, der zufällig vor Ort ist und eben noch alles für funktionsfähig erklärt hat, hat damit natürlich nichts zu tun. Wir sollen die Hotline anrufen. Er verabschiedet sich hektisch und fährt. Danke nochmal dafür. Da uns jetzt völlig unklar ist, was passiert, wenn der Strom wieder kommt, bleibt Julia beim Automaten und wir gehen mit der Telefonnummer zurück zum Hostel. Der Ersatzpapa fackelt nicht lange und setzt sich mit Marc auf seinen Roller, um zum Automaten zurückzufahren. Ich verzichte und laufe. Vor Ort wird telefoniert und geklärt. Julia und ich sagen inzwischen die Massage ab. Ganz toll. Das ist wohl wieder einer von diesen Tagen…?! Die indische Bank sagt, es würde nichts auf Marcs Konto passieren, er sollte aber zur Sicherheit seine Hausbank informieren. Das schafft er später relativ unkompliziert über Skype.
Zum krönenden Abschluss gibts heut indisches Essen. Natürlich. Und was für welches. Beschrieben wird das Restaurant als Loch in der Wand, was hier nichts ungewöhnliches ist. Aber eine durchaus treffende Beschreibung. Denn vielmehr ist es wirklich nicht. Davor Plastikstühle und -tische. Englisch kann hier keiner. Wir bestellen drauf los und bekommen ein unglaublich leckeres und unverschämt günstiges Abendessen. Für 2 Euro pro Person. Für uns ein Witz. Wir kugeln uns zufrieden ins Hostel.
Beim Internetschmökern auf der Dachterrasse lerne ich einen Zahnarzt aus Barhain kennen. Ein netter dazu. Vor lauter Hitze kann anscheinend heute Nacht keiner schlafen. Er will alles über Deutschland wissen und erklärt mir, dass er irgendwann einen Porsche fahren will. Aber der viele Sand und die Hitze wären nicht so gut dafür und die Reparaturkosten immens. Im Moment hat er nur zwei Autos. Eins für Kurz- und eins für Langstrecken. Na dann, ich hab grad gar keins. Und leider kann er mir auch nicht mit meinen Zahnschmerzen helfe. Vor meinem Abflug hatte ich mir leider auf Anraten meines Zahnarztes noch eine Krone verpassen lassen, die bis zu meiner Abreise nicht wirklich zu passen schien. Wir warten mal ab, wie sich das entwickelt. Noch ist es zum Aushalten.
18. September 2015
Cochin ist eher übersichtlich, um nicht zu sagen klein. Wir wollen später den Sonnenuntergang am Hafen gucken, aber bis dahin liegt nichts konkretes an. Also los schmökern, Internetrecherchen betreiben und Reiseführer wälzen.
Der Hafen später am Nachmittag ist idyllisch schön. Die Fischer nutzen alte chinesische Netze zum Fang. Und es scheint auch die Flaniermeile für indische Touristen zu sein. Die fotografieren sich vor jedem daher fahrenden Containerschiff. Romantisch. Und zwischendurch fotografieren sie auch mal uns. Wie nett. Auf dem Rückweg essen wir tibetisch. Hatten wir noch nicht und da ein großer Teil der tibetischen Bevölkerung in Indien lebt, nichts untypisches. Heute also erweiterte Landesküche.
Ich genieße bis in die Nacht das Internet. Es ist zu warm zum schlafen. Nicht mal der Zahnarzt findet Ruhe. Wir treffen uns wieder auf dem Dach. Dass er verheiratet ist und ein Kind hat weiß ich von Julia, er selbst hält das anscheinend nicht für erwähnenswert. Es gibt komische Menschen…
Dafür platzt bei mir in dieser Nacht der Planungsknoten. Ich freunde mich mit dem dicken Reiseführerschinken an und weiß nicht, wie ich das alles in einem Urlaub unterbringen soll. Es gibt soviel zu sehen in Indien. Am Ende bleib ich vielleicht einfach für ein Jahr hier…
19. September 2015
Unsere verpasste Massage holen wir heute nachmittag nach. Wär ja gelacht. Bis dahin das gleiche Programm wie gestern. Ist das Leben grade schön. Auch wenn mich diese Freiheit noch überfordert. Alles können, nichts müssen. Es gibt aber auch wirklich ALLE Optionen im Moment. Ich weiß auch nicht, was ich zuerst machen soll: Indien planen- aber wo anfangen, Blog schreiben- dazu fehlt mir die Muse. Vielleicht muss ich mit runterkommen anfangen.
Später gehen wir zum Massagesalon. Wir haben die Ayurvedaganzkörpermassage mit Stirnölguss und Dampfbad gebucht. Bitte einmal komplett ausziehen. Das schaffe ich. Danach bekomm ich eine Art Einwegtanga umgebunden und ab auf die, ja eigentlich, Liege. Aber diese hat einen Ablauf rundherum und eine glatte Oberfläche. Die Masseurin fängt an. Na das ist ja mal angenehm. Und mit Öl wird hier auch nicht gespart. Allerdings flutsche ich irgendwann ein bisschen auf der Liege hin und her. Das ist neu. Ich entspanne trotzdem und döse kurz weg. Um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich vollkommen ölig bin, wird zum Schluss mein Kopf mit noch mehr Öl übergossen. Im Liegen auf die Stirn und dann läuft der ganze Quatsch über die Haare auf die Liege und fließt ab. Meine einzige Sorge, sind meine Klamotten. Wenn ich die gleich anziehe, bekomm ich das Öl wohl nie wieder raus. Abschließend geht es ins Dampfbad. Oder besser Dampfschrank. Es ist tatsächlich eine Art Schrank, dessen Türen sich vorne öffnen lassen, darin ein Hocker mit drehbarem Sitz, oben eine Aussparung für den Kopf (fast wie bei einer Guillotine). Im hinteren Teil wird mit Hilfe einer Art Schnellkochtopf Wasserdampf erzeugt. Ich sitze also da und schwitze. Indien, Du bist sehr provisorisch. Aber auch erfindungsreich, dass muss ich schon sagen. Und, ich atme auf, denn abschließend werde ich zum Duschen nach nebenan gebeten. Meine Masseurin will mir sogar helfen. Sehr nett, aber außer mir den öligen Rücken abzuseifen, lehne ich dankend ab. Der größte Teil geht überraschend leicht runter. Wir schweben nach Hause.
An unserem letzten Abend wollen wir Marc in unser Fischrestaurant schleppen und anschließend ins Theater uns Kathakali anschauen – traditioneller Tanz nach Kerala Art. Blöd das Marc gar keinen Fisch mag. Aber es gibt zum Glück auch anderes. Und nicht schlechter. Das Theater danach ist kurz und knackig. Eine Stunde lang schwingen zwei einheimische Damen das Tanzbein für uns. Mit aufwendigen Kostümen, reichlich Schmuck und Schminke und generell sehr ausdrucksstark in ihrer Mimik. Hübsch anzusehen und unterhaltsam. Sehr indisch asiatisch.
Zurück im Hotel ist es wieder so weit. Wir packen. Der nächste Stop heißt Mumbai. Und die Eltern sind jetzt schon auf dem Weg. Dann startet endlich der Familienurlaub. Das wird was werden!