Zwei in einem Boot

14. September 2015

WIR HABEN VERSCHLAFEN!!!

Anscheinend brauchten wir erstmal eine ordentliche Mütze. Wir sortieren uns, machen uns im Schweinsgalopp fertig und checken vor dem Frühstück aus. Nicht das wir am Ende noch eine zweite Nacht bezahlen müssen.

Das Frühstück ist inklusive. Nur deshalb überredet Julia mich, es zu probieren. Es entspricht in etwa dem Zimmerniveau. Gut, wir haben jetzt auch kein Ritz-Buffet erwartet. Aber das jetzt?! Es mufft und sauber ist auch anders. Wir sind aber leider etwas unter Zeitdruck. Ich beschränke mich auf Toast, damit kann man nicht so viel falsch machen. Die Marmelade hat eine unnatürliche, quietschpinke Farbe- Sorte mixed Fruit- und schmeckt nach Chemie. Heute also Buttertoast. Wir brechen das ganze frühzeitig ab und machen uns auf den Weg.

Die grobe Lage des Busbahnhofs kennen wir. Jetzt geht es ans Finetuning. Wir fragen uns von einer Strassenseite zur anderen durch. Am lustigsten ist es mit unserem gesamten Gepäck beschnallt über und unter den durchgehenden Fahrbahntrennungen durch zu turnen. Er ist aber auch echt ein bisschen versteckt, der blöde Bahnhof. Wir finden ihn trotzdem. Tickets gibt es auch noch. Und, entgegen der „Warnung“ von unserem Hotel, nicht den Localbus zu nehmen, entscheiden wir uns trotzdem für das rostrote Modell ohne Fenster. Ist bei dem Wetter auch luftiger- wir haben so 35C°- und furchtbar nasse Luft. Feucht reicht nicht mehr zur Beschreibung aus. Außerdem: der Localbus fährt einfach früher. Und wir sind nicht scharf aufs Warten. Im Bus dann scheiden sich die Geister. Die Männer sind meist verängstigt, abschätzig oder desinteressiert, die Frauen in der Regel offen lächelnd und neugierig schauend. Wir kuscheln uns auf einen Sitz, halten die Köpfe in den Fahrtwind und machen uns bereit für eine wilde Reise durch Kerala. Und das wird es dann auch. Ich rede mir fest ein, dass der Busfahrer bestimmt auch Familie hat und heute Abend wieder gesund nach Hause möchte. Und dann schlafe ich natürlich sofort ein. Nach 15 Minuten. Immerhin. Ich und die Motorengeräusche. Ich kann wirklich nichts dafür. Wenn ich dann kurz wegen Unbequemlichkeit wach bin sehe ich nur Palmen. Kerala ist wunderschön und satt grün und teilweise sauberer als Ägypten. Hier gefällt es mir schon mal sehr. Zwischendurch steigen immer wieder Leute ein und aus. Für die wenigsten ist es ein Langstreckentransportmittel, wie für uns. Die meisten Touristen nehmen entweder den klimatisierten Bus, einen privaten Fahrer oder fliegen, wenn möglich. Die Inder fahren meist nur von einem Dorf ins Nächste.

Nach vier Stunden kommen wir in Alappuzha an. Ich muss mal eine rauchen. Dafür ernten wir komische Blicke. Es gibt kein Schild und auch sonst kein Anzeichen für Fehlverhalten. Auf dem Boden liegen Zigarettenkippen. Ich kann die Blicke gerade nicht ändern, fühle mich aber unangenehm beobachtet. Und während wir rauchend rumstehen, schwups spricht uns auch schon jemand an, der uns sein Hostel anbieten will. Natürlich hat er das beste und den besten Preis. Sehr aufdringlich. Wir lügen, es sei schon alles reserviert und machen uns auf die Suche nach unserer anvisierten Lonely Planet Empfehlung, gespannt, was uns diesmal erwartet. Ja, und das übertrifft dann allerdings diesmal unsere Erwartungen. Ein super süßer Homestay. Heißt: indische Privatleute lassen Touristen in ihrem Haus wohnen. Mal ist das ein Zimmer im eigenen Haus, mal eine separate Wohneinheit auf dem selben Grundstück. Mal mit und mal ohne Bad. Gegessen wird oft mit der Familie und man ist auch sonst sehr willkommen und wenn man möchte, ein bisschen ein Teil davon. Gemütlich. In unserem Fall heißt es, dass Teile des Hauses und zwei Ein-Zimmer-inkl. Bad-Bungalows im Garten zur Vermietung stehen. Einer der Bungalows ist frei und gehört kurz darauf für eine Nacht uns. Für die zweite Nacht arrangieren wir mit dem Besitzer eine Backwater- Bootstour. Kerala ist von einem riesigen Flusssystem durchzogen, gesäumt von Palmenhainen, unterbrochen von Seen. Das wollen wir uns mal live anschauen. Tja, plötzlich haben wir einen Lauf- geht doch!

Wir nutzen unser Wohlfühlzimmer zum Ankommen und zur ausführlichen Schönheitspflege. Es gibt in Alappuzha auch sonst nicht wirklich viel zu tun. Heute also keine Hektik mehr. Die Stadt durchziehen viele Kanäle, ganz hübsch, aber auch ein unglaublicher Verkehr. Und ich befürchte, es fahren hier alle ohne Katalysator. Zumindest wabern die Abgase scheinbar ungefiltert schwarz und russig durch die Luft. Gewöhnungsbedürftig. Wir machen uns am späten Nachmittag auf und erfragen für übermorgen die Abfahrt für unseren Bus nach Kochi und starten die Stadt- und Stranderkundung. Stadt geht schnell. Es gibt tatsächlich nichts spezielles zum Anschauen. Der See soll ganz nett sein, ist für uns heute aber zu weit weg. Wir sind zu faul. Also her mit der Rikscha und auf zum Strand. Zum Sonnenuntergang. Wir machen es wie in Ägypten: einsteigen und bei Ankunft den Preis diskutieren. Oder einfach bezahlen. Findet der indische Fahrer nicht witzig. Wenn wir nicht voll (oder überteuert) bezahlen wollen, will er gar kein Geld. Ja, dann nicht. Er nimmt es doch noch und ist ziemlich motzig mit uns. Der Strand ist dann ganz nett, übersät mit Indern, aber an sich nichts spannendes. Wir machen eine Fotosession und suchen was zum Essen.

Die Speisekarte ist übersät mit unbekannten Gerichten. Das können wir unmöglich alles googlen. Und wir haben auch gar kein Internet. Also schnell eine Taktik entwickeln. Wir verhungern fast. Julia und ich sind zum Glück gleichermaßen unkompliziert und neugierig was Essen angeht. Das macht es einfacher. Jeder sucht ein Gericht mit besonders lustigem Namen aus und gut. Brot dazu. Fertig. Und das essen was dann kommt ist richtig gut. Das machen wir jetzt immer so.

Zurück suchen wir uns eine Rikscha. Der Ort ist für indische Verhältnisse klein, gegen 8 Uhr abends wie ausgestorben und das Hotel zu weit weg. Wir müssen ja nicht jeden Blödsinn am ersten Tag machen. Ein junger Fahrer hält an und wir einigen uns. Er meint, er müsste noch jemanden abholen. Aha?! Sein Kumpel oder was auch immer steigt zu ihm auf die Vorderbank. Er fährt weiter, die Hauptstrasse entfernt sich immer weiter, die Strasse wird immer dunkler und kleiner, und wir fragen mal kurz nach, ob er den Weg kennt. Ja, das wär eine Abkürzung. Ohoh…falsche Antwort. Ich kann quasi sehen, wie bei Julia die Sicherungen durchbrennen. Sie schnauzt ihn an, sofort auf die Hauptstrasse zurückzufahren. Lauter werdend und energisch. Er will erklären, es sind doch alles Einbahnstrassen, so sparen wir ein gutes Stück Fahrt. Ist uns aber egal. Julia macht erneut eine Ansage. Er wendet und bringt uns anstandslos zurück.

Das war mal ein kurzer Schreck. Ich weiß gar nicht, was mir jetzt schlimmer war: der noch halbwüchsige Rikschafahrer, der jetzt nie wieder eine Abkürzung nimmt oder meine Schwester, die von 0 auf 180 in weniger als 1 Sekunde beschleunigt hat. Recht hatte sie, aber huihuihui. Aber mal ehrlich, das Jüngelchen und seinen Freund hätten wir doch locker geschafft.

15. September 2015

Zu unserer Bootstour werden wir erst gegen Mittag abgeholt, deshalb fangen wir den Tag entspannt mit ausschlafen und Frühstück an. Es kann so schön sein. Schnell noch bei allen abmelden, denn bis morgen Abend gibt es kein Internet. Marc schickt uns noch die Reservierung für das Hotel in Kochi. Das Internet ist einfach zu langsam hier. Also hat er das Buchen übernommen. Hat ja auch sonst grad nur warten auf den Abflug zu tun. Ein nettes Hotel, laut Internet. Die Spannung steigt.

Als der Fahrer kommt, können wir das erste Mal indischen Charme in seiner ganzen Bandbreite erleben. Er und der Besitzer unserer Unterkunft stehen neben Julia und mir, während wir uns mit unseren Rucksäcken plagen. Kein Handgriff, keine Hilfe, nichts. Ich sage, geht schon! Und Danke.

Entschädigt werden wir dafür mit einem einfachen, aber süßen Hausboot, nur für uns zwei. Ist das romantisch!!! Die Crew besteht aus zwei Männern. Einer kocht, einer steuert. Sie wuchten unser Gepäck an Deck. Bitte nicht ins Wasser fallen lassen und: DANKE!!!, dass wir den Hechtsprung an Bord nicht mit Gepäck bewältigen müssen. Geht doch. Das Boot ist wirklich klein. Ein Schlafzimmer mit Bad für uns und die Kombüse nehmen ungefähr die Hälfte der Fläche des Bootsdecks ein. Auf der anderen findet ein Openairesstisch Platz, daneben sitzen wir in kolonial anmutenden Stühlen mit Beistelltisch zwischen uns und ganz vorne der Steuermann. Ich fühl mich ein bisschen britisch. Und dekadent. Es gibt einen Begrüßungstrunk und wir legen ab. Die Crew erklärt uns den Ablauf und die Essenszeiten. Das hört sich nach Entspannung an. Wir machen es uns gemütlich, lassen die Seele baumeln und die Landschaft auf uns wirken. Es wird immer grüner hier. Palmen wohin wir blicken. Neben den Kanälen Reisfelder. Am Ufer die unterschiedlichsten Häusern. Von sehr einfach bis recht solide ist alles dabei. Wir beobachten Frauen, die Wäsche waschen, badende Kinder, Schwimmunterricht diverser Schulen, Männer die gerade Zähneputzen. Für alle hier ein ganz normaler Tag. Strom gibt es, dass kann man an den Leitungen sehen, aber in fast jedem Garten ist auch ein Klohäuschen zu finden. Daneben Hühner, Wäscheleinen, das übliche. Ein bisschen, wie in einer anderen Welt. Unglaublich in der heutigen Zeit. Wir sind hier keineswegs in einem klassischen Entwicklungsland. Indien gilt schon lange als Schwellenland. Um uns herum vereinzelte andere Hausboote, kleiner und größer. Die Inder machen ihre meist zu Partybooten mit lauter Musik. Da ist bestimmt kein Platz für Romantik drauf. Ich kann mir nur entfernt vorstellen, wie es in der Hauptsaison hier ist. Es liegen hunderte von Booten in den Häfen. Es muss hier ziemlich voll auf dem Wasser sein, wenn die alle Ablegen. Find ich so allerdings angenehmer.

Wir gucken und geniessen. Das ist besser als Fernsehen. Da fällt mir auf, dass ich das nach knapp zwei Wochen noch nicht ein einziges Mal vermisst habe. Ist wohl einfach zu interessant unterwegs. Zwischendurch lesen, dösen, gucken. Für das Mittagessen legen wir kurz an. Es ist der Knaller. So etwas leckeres. Fisch, Dal, Gemüse, Salate, Reis, Brot. Und alles mit Blick auf Reisfelder und Palmen. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Mittagsschlaf. Julia verdrückt sich tatsächlich irgendwann ins Bett. Ich wecke sie zum Nachmittagstee – in Überbleibsel der Kolonialzeit. Eines von den angenehmen. Zum Sonnenuntergang legen wir an. Das Abendessen wird vorbereitet, wir gehen von Bord und nehmen vor traumhafter Kulisse ein Geburtstagsvideo für Caro auf. Schicken kann ich es frühestens morgen. Wegen fehlendem Internet wird das nicht der letzte Geburtstag sein, bei dem ich verspätet gratuliere. Auch das gehört wohl zum Reisen dazu. Noch schnell im angrenzenden Dorf vorbeigeschaut. Und zurück zum Boot. Die Mosquitos wollen Julia auffressen und es wird dunkel.

Zurück an Bord ist das Essen schon fast fertig. Der Steuermann hatte beim Anlegen gefragt, ob wir Bier wollen. Das müsste er dann nämlich extra kaufen gehen. Alkohol ist nicht inklusive. Julia antwortete, nur ich. Toll! Jetzt denken die, ich trinke. Klingt jedenfalls so. Und so guckt die Besatzung auch. Und außerdem hat er eine große Flasche gebracht. Naja, was muss, das muss. Wir präparieren uns gegen die Mücken und geniessen unser Essen. Vom Deckenventilator lassen sie sich auch tatsächlich fern halten. Ich hab irgendwann leicht einen sitzen und wir quatschen in die Nacht rein, bis sich der Steuermann hinlegen will. Er schläft an Deck, quasi im Esszimmer, während der Koch im nahegelegenen Dorf schläft. Er wohnt dort und kommt morgen früh zurück. Wir hingegen stellen dann überrascht fest, dass es so im Stockdunkeln auch ein bisschen unheimlich auf dem Boot ist. Und was für komische Geräusche das Wasser nachts macht… Aber auch gemütlich.

Die größte Herausforderung des Tages wird jetzt noch Julia für die Nacht moskitosicher ins Bett zu kriegen. Moskitos finden sie nämlich zum anknabbern. Das hauseigene Moskitonetz haben wir wegen akuter Durchlöcherung schon gegen mein mitgereistes getauscht. Wir machen uns bettfein, sammeln ein, was wir an Cremes und sonstigem Schnickschnack brauchen, Handylampe an, Licht aus und dann vorsichtig unter das Netz krabbeln. Und schnell wieder zumachen!!! Schneller!!!

Klingt jetzt nicht so lustig?! War es aber. Ich werde nie vergessen, wie ich Julia gegen die Moskitos verteidigt habe. Eine lustige Turnübung!

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