Morgen steigt meine Geburtstags- und/ oder/ bzw. Abflugparty. Das erste Wochenende der Sommerferien. Länger konnte ich bei meiner kinderreichen Gästeliste nicht warten. Schon Samstag Nacht verabschieden sich die ersten in die Ferien. Und bis alle wieder da sind, liege ich bereits unter ägyptischer Sonne.
Tatsächlich werde ich fast alle Gäste bis zu meinem Abflug nochmal treffen. So wird es für mich entspannt und kein großes Abschiedsdrama. Unterm Strich heißt es ja auch „nur“: Au Revoir! Nicht: Tschüss!
Obwohl ich alles an Vorbereitungen ausgelagert hatte – einfach mal den Lieblingsitaliener anmieten – beschäftigte mich die Feier mehr oder minder die ganze Woche. Oder besser, ich wurde damit beschäftigt. Während wiederkehrender Feierabendmeetings auf der nachbarschaftlichen Terrasse kristallisierten sich zwei grundlegende Probleme heraus:
- Erwartungen, dass es eine Rede geben müsse.
- Die Frage, was genau wir eigentlich feiern.
Bis dato dachte ich „Guten Appetit“ und „schön, dass ihr alle da seid“ würde als „Rede“ durchgehen. Ebenso wie ich meine Einladung zur „Geburtstags- und Abflugfeier“ für sehr eindeutig gehalten hatte. War wohl nicht so.
Kurz und gut: um die Gäste nicht zu enttäuschen, wird es morgen ein paar warme Worte meinerseits geben (Punkt 1 erledigt), die erklären, was wir feiern (Punkt 2 erledigt). Ich befürchte allerdings, kein Wort rauszukriegen. Persönlichen Sachen vor vielen Leuten aufsagen zählt nicht zu meinen Kernkompetenzen. Zur Sicherheit ein Vorabdruck. Auf den kann ich dann morgen bei Blackout verweisen:
„Schön, dass ihr alle da seid.
Als ich die Feier im März geplant habe, dachte ich noch, wir treffen uns alle hier und trinken gemütlich Einen. Und gut!
Allerdings musste ich mich diese Woche eines besseren Belehren lassen. Es müsse eine Rede geben. Fand mein Nachbar. Ich nicht! Deshalb stehe ich hier auf Wunsch eines einzelnen Herrn. Außerdem war anscheinend nicht klar, was genau wir heute feiern. Zumindest der Frau von besagtem Nachbar nicht.
Eigentlich meine Abflugparty. Wie ich mir jedoch glaubhaft habe versichern lassen, sitzt keiner von Euch zu Hause und fiebert darauf hin, dass ich endlich im Flieger sitze – übrigens heute genau in 39 Tagen. Ich will das mal so glauben…
Ich hab mir daraufhin Gedanken gemacht. Was feiere ICH heute so ganz genau?
Nüchtern betrachtet sieht es doch so aus: kein Haus, bald kein Auto mehr, in absehbarer Zeit arbeitslos. Neben meinem 29. Geburtstag – auch der fünfte soll entsprechend gewürdigt werden – möchte ich mich bei meiner Familie für alle Unterstützung bedanken. Speziell bei meinen Eltern, die meine Schwester und mich immer selbstlos bei allen Entscheidungen unterstützt haben. Ausnahmslos unter der Prämisse: sind wir glücklich und ist das, was wir da gerade tun, genau das, was wir wirklich tun wollen. Beruflich, wie auch privat. An dieser Stelle darf ich sagen, ihr habt das gut hinbekommen. Julia und ich wollen genau das, was wir gerade machen. Und wir waren selten glücklicher wie im Moment.
Familie, die man sich nicht aussuchen kann, ist aber nur ein Teil meines Lebens. Der andere Teil sind Freunde, die durch verschiedene glückliche Fügungen und Zufälle in mein Leben getreten und geblieben sind. Und ein wichtiger Teil davon wurden. Sei es ein zufälliger Wohnort, die zweite Fremdsprache, der nahezu zeitgleiche Start in einer neuen Firma, Berufsschule, berufliche Zusammentreffen, Freunde von Freunden. Am Ende war es ein Glück für mich und ich bin froh und dankbar für jeden Einzelnen, der heute Abend hier ist. Und auch für ein bis vier Menschen, die heute verhindert waren.
Und um die eigentliche Frage zu beantworten: ich feiere heute, dass ich Glück im Leben hatte. Es hätte soviel schlechter laufen können!
Und JETZT können wir Einen trinken!“
In diesem Sinne: auf die letzten 40 Tage.